Warum fühlt man sich auf dem einen Fahrrad wohler als auf dem anderen. Auf was sollte ich beim Fahrradkauf achten? In unserem Fokus sind die mit Menschenkraft angetriebenen Tourenräder (auch als Bio-Rad bezeichnet), mit denen Strecken von 50-80 km pro Tag entspannt und schmerzfrei zurückgelegt werden sollen.

Die wegweisenden Entscheidungen sind beim Kauf des Tourenrades zu treffen. Ein kompetenter Fachberater wird stets nach der Art der Nutzung (City- oder Tourenrad), nach der präferierten Reisegeschwindigkeit (sportlich oder gemütlich), den geplanten Tagesstrecken (30, 60 oder 100 km) und auch nach körperlichen Einschränkungen fragen und mindestens die Innenbeinlänge des Kunden messen. Auf dieser Grundlage legt er die Rahmengröße und die Rahmenform fest und klärt dann die Ausstattung im Detail gemeinsam mit dem Kunden. Dabei sollte die Rahmengröße 2/3 der Innenbeinlänge entsprechen. Die Rahmengröße wird als Abstand zwischen Tretlagermitte und dem oberen Ende des Sattelstützenrohrs bestimmt. Wer ernsthafte und mehrtägige Radtouren plant, sollte an dieser Stelle keine Kompromisse eingehen. Rahmengröße und -form sowie die Ausstattung sollte stets Vorrang haben vor Farbe und anderen ästhetischen Merkmalen. Die Rahmenform muss dem Gewicht von Fahrer und Gepäck Rechnung tragen. Fahrradrahmen sind umso steifer und damit für größere Gewichte geeignet, je zäher der verwendete Rohrwerkstoff und je horizontaler das obere Rohr ausgerichtet ist. Ist das Oberrohr stark abfallend, d.h. bis in die Nähe des Tretlagers geführt, ist zwar das Auf- und Absteigen bequemer, andererseits ist dann der Rahmen weniger verwindungssteif und kann bei schwerem Gepäck ein unsicheres Fahrgefühl vermitteln.

Nüchtern betrachtet ist bei Tourenrädern eine Unterscheidung der Rahmenform in Damenfahrrad und Herrenfahrrad nicht zielführend. Es geht nur um die Frage, ob die gewählte Rahmenform dem Gesamtgewicht und den Pedalkräften dauerhaft standhalten kann. Das bei Fahrrädern bekannte „magische“ Dreieck zwischen Lenker, Sattel und Pedale muss auf das Alter und die Fahrweise des Fahrers abgestimmt sein. So wird ein 70-jähriger Tourenradler eine stark nach vorne geneigte Fahrweise nicht bequem finden, wogegen ein 20-Jähriger möglicherweise stundenlang in dieser windschnittigen Fahrweise schmerzfrei fahren kann. Das Dreieck sollte idealerweise so eingestellt sein, dass die Last auf die Handgelenke und auf das Gesäß gut verteilt ist. Der Lenker sollte ungefähr schulterbreit sein und seine Form sollte eine entspannte Arm- und Handhaltung ermöglichen. Die Griffe sollten Schweiß- und UV-beständig sein, da sie sonst kleben und sich sehr bald ekelig anfühlen. Ergonomisch geformte Griffe helfen, das Handgelenk zu entspannen und wirken dem Einschlafen der Hände entgegen. Dabei sollte die „Nase“ in Richtung Brustwarzen ausgerichtet sein, sonst bleibt die positive Wirkung aus. Wichtig: Lenkergriffe müssen fest sitzen und dürfen sich nicht verdrehen lassen.

Der tatsächliche Nutzen von Federungen bei Tourenrädern sollte stets kritisch hinterfragt werden. Eine gefederte Gabel macht das Rad deutlich schwerer und vernichtet Energie, die ja vom Fahrer aufgebracht werden muss. Dies gilt im besonderen Maße auch für Rahmenfederungen. Eine Sattelstützenfederung kann jedoch sinnvoll sein, da Stoßbelastungen auf die Wirbelsäule bei Schlaglöchern und unebenen Wegen deutlich und wohltuend gedämpft werden. Dabei sollte die Auslenkung des Sattels schräg in Richtung Hinterradnabe erfolgen (Verlängerung der Wirbelsäule). Die Sattelstützenfederung sollte so eingestellt sein, dass auf glatter Fahrbahn der Federweg nahezu Null ist, d. h. es ist dann keine Federung spürbar. Die Federung soll ja nur die von unten kommenden Stöße dämpfen und nicht bei jeder Tretkurbelumdrehung nachgeben. Die Härte der Feder lässt sich in der Regel über eine Stellschraube einstellen. Die Federung der Sattelstütze ist umso wirksamer, je aufrechter die Sitzposition des Fahrers ist.

Die richtige Wahl des Sattels kann für eine entspannte und schmerzfreie Radtour entscheidend sein. Manche Händler bieten eine Abstandsmessung der Sitzknochen an und geben so eine faktenbasierte Entscheidungshilfe. Allgemein muss der Sattel umso schmaler sein, je gebeugter die Körperhaltung des Fahrers ist. Da Tourenfahrer in der Regel Radlerhosen tragen, sollte der Sattel nicht zu weich sein. Ob der Sattel aus Leder oder Gel ist, in Längsrichtung gespalten oder aus unterschiedlich weichen Zonen bestehen soll, wird vom Fahrer ganz unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Glücklich ist derjenige Radfahrer, der SEINEN Sattel gefunden hat.

Bei Bio-Tourenrädern sind Felgenbremsen nach wie vor als guter und ausreichender Stand der Technik zu bezeichnen. Diese haben eine gute und verlässliche Bremswirkung. Auch sind die Verschleißteile, wie Bowdenzüge und Bremsbeläge überall erhältlich und können vom Radreisenden leicht in Eigenregie getauscht werden. Im Vergleich zu Felgenbremsen sind Scheibenbremsen teurer und komplexer und bringen für den Tourenradler keinen echten Mehrwert. Bei schwereren Zweirädern wie Pedelecs, E-Bikes oder Motorrädern entfalten sie zweifellos ihre Wirkung und sind dort nicht mehr wegzudenken.

Bei der Wahl der Schaltung gibt es die Optionen Kettenschaltung oder Nabenschaltung. Die Kettenschaltung bleibt ungeschlagen im Hinblick auf den Übertragungswirkungsgrad, sofern diese durch gute Pflege in einem geschmeidigen Zustand gehalten wird. Die Rennradfahrer machen uns das vor, denn im harten Wettbewerb kommt es auch auf eine effiziente Kraftübertragung an. Wer als Tourenfahrer bereit ist, einen regelmäßigen Pflegeaufwand für die Kette zu betreiben, ist mit der Kettenschaltung bestens bedient. Mittlerweile werden Kettenschaltungen mit über 30 Gängen angeboten. Doch über die Sinnhaftigkeit lässt sich trefflich streiten, da der Tourenfahrer eine solch filigrane Abstufung in der Regel nicht braucht. Außerdem sind Zahnritzel bis 8-fach und die dazugehörige Kette überall verfügbar und auch bezahlbar. Bei 11-fach und mehr Ritzeln wird das schon schwieriger. Es empfiehlt sich deshalb schon beim Neukauf eines Tourenrades nach den Ersatzteilpreisen und auch deren Verfügbarkeit zu fragen. Wer Passstraßen mit Reisegepäck fahren will, sollte auf eine gute Übersetzung achten. Dabei sollte der größte Zahnkranz hinten mindestens so groß sein wie das kleinste Kettenblatt vorne, d. h. eine 1:1- Übersetzung. Wer keinen Wartungsaufwand haben will, ist mit einer Nabenschaltung besser bedient. Wenn dann noch die Kette durch einen Zahnriemen ersetzt wird, genießt der Tourenradler zwar nicht die kraftsparende Leistungsübertragung einer Kettenschaltung, hat aber eine stets saubere Hose und wird die geringe Pannenneigung zu schätzen wissen.

Für Tourenfahrer steht der Schutz gegen Pannen an oberer Stelle. Die Reifen sollten einen guten bis sehr guten Pannenschutz haben, damit Glasscherben und spitze Gegenstände keine Chancen haben die Decke durchzustechen. Unterwegs kann der Fahrer selber aktiv dazu beitragen, den Rollwiderstand klein zu halten und gleichzeitig Reifenpannen zu verhindern, indem er die Reifen auf den richtigen Druck aufpumpt und regelmäßig überprüft. Der erforderliche Reifendruck ist seitlich auf dem Reifen angegeben, z. B. Mindestdruck 3,5 bar, max. Druck 6,0 bar. Der Reifenhersteller hat gute Gründe, den empfohlenen Druckbereich anzugeben, denn nur innerhalb dieser angegebenen Druckspanne bietet der Reifen die ihm zugedachten Eigenschaften.

Auf gemeinsamen ADFC-Radtouren erleben wir immer wieder, dass Teilnehmer mit 1,5 bar Reifendruck am Ausgangspunkt Drostei warten. Wir Tourenleiter haben ein natürliches Interesse, dass alle Teilnehmer die gleichen, oder zumindest ähnliche Voraussetzungen für das Vorankommen haben. Deshalb achten wir auf den richtigen Reifendruck aber auch auf die richtige Sattelhöhe. Beides sind Faktoren, die den Spaß beim Radfahren entscheidend beeinflussen.

Die Themen Fahrradkauf und Ergonomie werden stets auch bei den VHS-Radreparaturkursen behandelt, die jeweils im Frühjahr und im Herbst vom ADFC durchgeführt werden. Die Teilnehmer erhalten Entscheidungshilfen und können so ihr Tourenrad nach individuellen Wünschen und Bedürfnissen zusammenstellen. Das freut auch den Fahrrad-Fachberater, weil er bei sachkundigen Interessenten nur noch wenig Überzeugungsarbeit leisten muss.